Veröffentlicht am: 07.02.2022 von Fachanwaltskanzlei für Benden

Erblasser zahlt Pflichtteil zu Lebzeiten?

Der Erblasser kann Pflichtteile an enterbte Kinder schon zu Lebzeiten bezahlen. Deren Zweck muss aber eindeutig sein; der Verwendungszweck „Erbteile“ bei einer Überweisung reicht nicht aus.

Kann der Erblasser den Pflichtteil schon zu Lebzeiten bezahlen?

Der Erblasser kann den Pflichtteil an enterbte Kinder schon zu Lebzeiten bezahlen. Der Zweck der Zuwendung muss aber eindeutig sein. Der Verwendungszweck „Erbteil“ bei einer Überweisung reicht nicht aus. Der Erblasser darf nicht in sein Testament schreiben, dass ein Pflichtteil schon bezahlt wurde. OLG Koblenz – Urteil vom 15.06.2020 (12 U 1566/19)

Was heißt „Auszahlung des Pflichtteils an enterbte Abkömmlinge“?

Der Erblasser kann einen Abkömmling enterben. Der Abkömmling ist dann Pflichtteilsberechtigter. Der Pflichtteilsberechtigte kann von den Erben einen prozentualen Anteil des Nachlasses verlangen. Der Erblasser kann dem Abkömmling schon vor seinem Tod den Pflichtteil ausbezahlen (§ 2315 BGB).

Hinweis:
Dazu neigt er vor allem, wenn ein Unternehmen im Nachlass ist, damit bei der Unternehmensübergabe die Liquidität des Unternehmens nicht durch Pflichtteilsansprüche der Kinder gefährdet wird.

Der Pflichtteilsberechtigte hat nach dem Empfang des Pflichtteils dann keinen Anspruch mehr gegen den Erben.

Welche Anforderungen hat die Zahlung des Pflichtteils zu Lebzeiten?

Der Erblasser muss eindeutig anordnen, dass seine Zahlung den Pflichtteil ausbezahlt. Der Erblasser muss deshalb dem Pflichtteilsberechtigten zu verstehen geben, dass sein Pflichtteil mit der Zuwendung beglichen ist. Die Umstände der Zahlung reichen nicht aus. Der Erblasser muss diese Anordnung dem Pflichtteilsberechtigten vor oder spätestens mit der Zahlung mitteilen. Nach der Zahlung ist es zu spät.

Der Fall

Der Erblasser hat eine Tochter enterbt. Der Erblasser hat zu Lebzeiten seiner Tochter zunächst 5.000 € mit dem Verwendungszweck „Erbteil“ überwiesen.
Der Erblasser hat wenig später erneut 12.500€ überwiesen. Im Testament heißt es bezüglich der 12.500 €: „Meine Tochter hat zur vollständigen Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs einen Geldbetrag von 12.500 € bereits erhalten“.

Erste Zahlung
Den Gerichten war bei der ersten Zahlung der Verwendungszweck „Erbteil“ nicht eindeutig genug. Der Erblasser muss dem Pflichtteilsberechtigen genau anordnen, dass die Zahlung den Pflichtteil meint.

Zweite Zahlung
Die Gerichte haben bei der zweiten Zahlung bemängelt, dass der Verwendungszweck im Testament niedergeschrieben war. Der Erblasser muss dem Pflichtteilsberechtigten vor oder mit der Zahlung deutlich machen, dass die Zahlung sein Pflichtteil ist. Die Pflichtteilsberechtigte hat aber erst mit dem Testament erfahren, dass die Zahlung als Pflichtteil gemeint war. Deshalb war die Anordnung des Erblassers zu spät.

Die Erben mussten den Pflichtteil deshalb ein zweites Mal an die Pflichtteilsberechtigte zahlen.

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