Eine Schizophrenie kann ausnahmsweise postmortem festgestellt werden
Nämlich dann, wenn genügend umfangreiches, authentisches Material des Erblassers vorhanden ist.
Unterliegt ein Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung seines Testamentes mehreren Symptomen einer chronischen Schizophrenie, ist die erforderliche Wahrnehmung in Bezug auf die Bedeutung und Tragweite eines Testaments nicht mehr gegeben.
Der Erblasser ist testierunfähig.
(OLG München – Urteil vom 09.06.2021 – 7 U 4638/15)
Korr Gehlhaus
Der Fall:
Im vorliegenden Fall hatte ein Erblasser 2008 ein Testament errichtet, in dem er seine Tochter als Alleinerbin festgelegte und seinen Sohn von der Erbfolge ausgeschlossen hat.
Nach dem Ableben des Erblassers beantragte die Tochter die Erteilung eines Erbscheins auf Grundlage des Testamentes.
Das Nachlassgericht holte zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers ein Sachverständigengutachten ein.
Nach positiver Rückmeldung wurde der Tochter der Alleinerbschein ausgestellt.
Sohn legt Beschwerde zum OLG ein
Im Beschwerdeverfahren hörte das Nachlassgericht einen weiteren Sachverständigen und eine Zeugin an.
Das OLG kam zum Ergebnis, dass der Erblasser aufgrund paranoider Symptomatik nicht testierfähig gewesen sei und zog den Erbschein zugunsten der Tochter ein.
Tochter erhebt Erbenfeststellungsklage vorm Landgericht
Auch nach erneuter Akteneinsicht und weiteren neun Zeugen stellt das Landgericht die Testierunfähigkeit des Erblassers fest. Das Landgericht wies die Klage der Tochter als unbegründet ab. Daraufhin legte die Tochter Berufung zum OLG ein.
Berufung zum OLG scheitert
Das OLG holte ein weiteres Sachverständigengutachten zur Klärung der Testierfähigkeit des Erblassers ein.
Der Sachverständige stellte in seinem Gutachten postmortem die Diagnose einer chronischen paranoiden Schizophrenie.
Regelmäßig sei eine solche Diagnose zwar nur zu Lebzeiten festzustellen, jedoch sei im vorliegenden Fall ungewöhnlich umfangreiches und authentisches Material des Erblassers vorhanden.
Erblasser lebte in einer anderen Welt
Das Gutachten stützte sich neben Angaben aus Büchern und Briefen des Erblassers, auf Zeugenaussagen und auf Interviews, die in Form von DVDs vorlagen.
Durch das gesammelte Material konnte ein stimmiges und widerspruchsfreies Bild über die geistige Verfassung des Erblassers zu Lebzeiten gewonnen werden.
Das OLG kam zu dem Schluss, dass der Erblasser zu Lebzeiten nicht mehr in der Lage war, die Bedeutung und Tragweite seines Handelns zu erfassen.
- Die Voraussetzungen der Testierfähigkeit seien daher nicht gegeben.
Das Testament des Erblassers wurde als unwirksam erklärt. Für den Erbfall gilt die gesetzliche Erbfolge.