Vorausvermächtnis oder Teilungsanordnung? Streit um unklares Testament
Wer einen seiner Erbberechtigten vor anderen begünstigen will, muss rechtlich ein paar Hindernisse überwinden – vor allem zur Streitvermeidung.
Wer einen seiner Erbberechtigten vor anderen begünstigen will, muss rechtlich ein paar Hindernisse überwinden – vor allem zur Streitvermeidung.
Rechtsanwalt Benden, Fachanwalt für Erbrecht und Testamentsvollstrecker, bloggt für Sie aus dem Erbrecht:
Besteht zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes kein Begünstigungswille zugunsten eines Erbens, liegt eine ausgleichspflichtige Teilanordnung vor.
Ein ausgleichfreies Vorausvermächtnis ist erst nach einem positiv festgestellten Begünstigungswillen durch Auslegung zu bejahen. Derjenige, der sich auf ein Vorausvermächtnis beruft, trägt die Beweislast.
(OLG Hamm Urteil vom 16.03.2021 – 10 U 35/20)
Ein Erblasser hat gewöhnlich feste Vorstellungen davon, welcher seiner Erben was bekommen soll und wie sein Nachlass unter den Miterben aufgeteilt werden soll.
Je klarer Ihr Vokabular, desto weniger Streit!
Damit er diese Vorstellungen auch rechtssicher auf’s Papier bringt, folgt hier unser Rat, spätestens bei diesem Thema immer einen Anwalt zu konsultieren und ansonsten im Testament klarzustellen, was Sie genau wünschen.
Hier unsere Vokabelhilfe:
1. Was ist eine Teilungsanordnung?
Wenn Sie eine Teilungsanordnung verfügen (z.B. Grundstück an Ihre Tochter Franziska), schuldet die von Ihnen bedachte Erbin ihren Miterben Geld als “Wertausgleich”.
Sie möchten also absichtlich Ihre Erben unterschiedlich bedenken und treffen zu diesem Zweck in Ihrem Testament eine Teilungsanordnung. Sie bestimmen darin, welcher Erbe was erben wird – und wie groß der Anteil des jeweiligen Erben sein soll.
Verwenden Sie dann das Wort “Teilungsanordnung” als Überschrift!
2. Was ist ein Vorausvermächtnis?
Sie wollen Ihrem späteren Erben bereits zu Lebzeiten einen Gegenstand zukommen zu lassen, ohne dass dadurch sein Erbteil geschmälert wird. Die Erbquote wird dann ohne den vorab vermachten Gegenstand errechnet.
Verwenden Sie dann das Wort “Vorausvermächtnis” als Überschrift!
Wenn Sie eine Vorausvermächtnis verfügen (z.B. Grundstück an Ihre Tochter Franziska), haben alle anderen Erben auf dieses Grundstück – oder auf einen finanziellen Ausgleich wegen des Grundstücks – auch später keinen Anspruch mehr.
Im vorliegenden Fall hatte ein Erblasser ein handschriftliches Testament errichtet, welches später zu Streitigkeiten zwischen der hinterlassenen Ehefrau und Tochter führte.
In dem Testament lies der Erblasser seiner Ehefrau und Tochter gesonderte Miteigentumsanteile an Immobilien zu kommen.
Insbesondere verwies der Erblasser darauf, dass die Ehefrau seinen Anteil an dem Familienwohnhaus erhalten soll.
Umfangreicher Nachlass
Neben den Immobilien hinterließ der Erblasser auch Bankguthaben und sonstige bewegliche Vermögensgegenstände.
Nach dem Erbfall erteilte das Nachlassgericht einen Erbschein, der die Tochter und die Ehefrau je zur Hälfte als Erben auswies. Infolgedessen wurden die Ehefrau und die Tochter als Miteigentümer in Erbengemeinschaft für das Grundstück, auf dem sich das Familienhaus befindet, eingetragen.
Ehefrau beansprucht alleiniges Eigentum an dem Grundstück
Die Ehefrau war der Auffassung, dass die in dem Testament eingesetzte Anordnung, welche ihr den Anteil an dem Familienwohnhaus zuspricht, ein Vorausvermächtnis darstelle.
Sie forderte ihre Tochter auf, ihr die Zustimmung zur Übertragung des alleinigen Eigentums zu erteilen.
Als die Tochter nicht reagierte, erhobt die Mutter Klage vor dem zuständigen Landgericht.
Landgericht sieht in Anordnung ein Vorausvermächtnis
Die Ehefrau hatte in erster Instanz Erfolg.
Das Landgericht legte die Anordnung des Erblassers als ein Vorausvermächtnis zugunsten der Ehefrau aus.
Ein solches Vorausvermächtnis begründe ein Anspruch der Vorausvermächtnisnehmerin auf Übertragung des Grundstücks zu alleinigem Eigentum.
Das Landgericht war der Auffassung, dass der Erblasser seiner Ehefrau bei der Verteilung seines Vermögens habe bevorzugen wollen.
Die Tochter legte daraufhin Berufung zum OLG ein.
Berufung mit Erfolg
Das OLG schätzte den Inhalt des unklar formulierten Testamentes anders ein.
Nach umfangreicher Auslegung kam das OLG zu dem Schluss, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung seine Ehefrau gerade nicht bevorzugen wollte.
Weiterhin liege es im Aufgabenbereich der Person, die sich auf ein Vorausvermächtnis berufen will, die konkreten Umstände zum Beweis eines Begünstigungswillen seitens des Erblassers vorzulegen.
Soweit diesbezüglich keine expliziten Anhaltspunkte vorliegen, müsse regelmäßig von einer Teilanordnung ausgegangen werden.
Die Anordnung in dem Testament wurde abschließend als Teilanordnung ausgelegt.
Der Ehefrau stand daher nur ein Anspruch auf Übertragung des alleinigen Eigentums gegen Zahlung eines finanziellen Ausgleichs an die Tochter zu.
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