Notar von der Verschwiegenheitspflicht entbinden
Das Geheimhaltungsinteresse des letzten Willens eines Verstorbenen entfällt nach der Testamentseröffnung. Der Antragsteller muss unmittelbar betroffen sein.
Das Geheimhaltungsinteresse des letzten Willens eines Verstorbenen entfällt nach der Testamentseröffnung. Der Antragsteller muss unmittelbar betroffen sein.
Rechtsanwalt Benden, Fachanwalt für Erbrecht und Testamentsvollstrecker, bloggt für Sie aus dem Erbrecht:
Das Geheimhaltungsinteresse des letzten Willens eines Verstorbenen entfällt nach der Testamentseröffnung. Der Antragsteller muss unmittelbar betroffen sein.
(BGH – Urteil vom 20.07.2020 – NotZ (Brfg) 1/19)
Im vorliegenden Fall errichteten der spätere Erblasser und seine zweite Ehefrau ein gemeinsames notarielles Testament.
In diesem Testament setzten die Eheleute ihre beiden gemeinsamen Kinder als Schlusserben ein.
Aus erster Ehe hatte der Erblasser noch einen Sohn. Dieser wurde dadurch von der Erbfolge ausgeschlossen.
Nachdem zuerst die Ehefrau und später der Ehemann verstarb, erfuhr der Sohn des Erblassers bei der Testamentseröffnung von seiner Enterbung.
Sohn äußert Manipulationsverdacht
Der Sohn zweifelte daraufhin die Richtigkeit des beim Nachlassgericht eingereichten Originaltestamentes an.
Er beantragte bei der zuständigen Aufsichtsbehörde (Präsidenten des Landgerichts), den Notar, der das Originaltestament beurkundet hatte, von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden.
Der Sohn verfolgte den Zweck, das eingereichte Originaltestament mit der beim Notar befindlichen Ablichtung des Testamentes zu vergleichen.
Aufsichtsbehörde lehnt Antrag ab
Dem Präsidenten des Landgerichts war die Manipulationsvermutung des Sohnes zu spekulativ. Ebenso spräche der mutmaßliche Wille des Erblassers gegen eine Einsichtnahme in das Testament. Der Antrag wurde abgelehnt.
Auch kein Erfolg vor dem OLG
Das ließ sich der Sohn nicht gefallen und zog vor das zuständige OLG.
Der Sohn beantragte den Präsidenten des Landgerichts als Aufsichtsbehörde zu verpflichten den Notar von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden.
Diese Klage hatte jedoch keinen Erfolg und wurde als unbegründet abgewiesen. Dem Manipulationsverdacht seien keine überzeugenden Begründungen gefolgt. Weiterhin sei es nicht im mutmaßlichen Interesse der Erblasser dem Kläger eine Akteneinsicht zu gewähren. Daraufhin legte der Sohn Berufung zum BGH ein.
Überraschung beim BGH
Der BGH ging entgegen seiner Vorinstanzen einen anderen Weg und gab der Berufung statt. In der Ablehnung des Antrages – welcher die Verpflichtung zur Entbindung des Notares von der Verschwiegenheitspflicht erwirken sollte – läge eine Verletzung der Rechte des Sohnes. Bei der Entscheidung, ob einem solchen Antrag stattzugeben sei, käme es darauf an, ob der Erblasser zu Lebzeiten eine solche Befreiung erteilt hätte oder ob unabhängig davon, durch den Todesfall ohnehin das Interesse an einer weiteren Geheimhaltung bzgl. des Testamentes entfiele.
Im vorliegenden Fall wurde das Testament bereits eröffnet. Der Antragssteller war als Sohn des Erblassers unmittelbar betroffen. Durch diese Umstände sei das Interesse des Vaters an der Geheimhaltung seines letzten Willens schließlich entfallen. Der BGH wies daraufhin, dass anders als vom OLG vorausgesetzt, keine Begründung sowie die an sich vorgebrachten Manipulationsvermutungen notwendig seien.
Letztendlich konnte der Sohn die Entbindung des Notares von dessen Verschwiegenheitspflicht erwirken und erhielt Einsicht in die Akten.
Im vorliegenden Fall errichtete die Erblasserin 1999 ein Testament, welches ihren Ex-Ehemann und die gemeinsamen Kinder als Erben zu gleichen Teilen auswies. Das Testament wurde mit folgendem Wortlaut eingeleitet:
„Für den Fall, das ich heute, am 26.11.99 tödlich verunglücke, fällt mein gesamter Nachlass (…)“
Nach dem Ableben der Erblasserin wurde den beiden Kindern auf Grundlage der gesetzlichen Erbfolge ein Erbschein ausgestellt. Zu dem Zeitpunkt war dem Nachlassgericht kein Testament bekannt.
Erst 2017 fand das Testament der Erblasserin seinen Weg zum Nachlassgericht.
Mit dem Testament und der darin enthaltenen Formulierung setzte sich das Nachlassgericht im Folgenden auseinander.
Der Ex-Ehemann vertrat dem Nachlassgericht gegenüber die Meinung, dass die in Frage stehende Formulierung über den genannten Tag hinaus zu verstehen sei.
Eines der Kinder hingegen verwies auf die Intelligenz der Erblasserin. Die Formulierung sei deshalb wörtlich zu verstehen.
Der auf Grundlage der gesetzlichen Erfolge erteilte Erbschein zugunsten der Kinder wurde daraufhin eingezogen. Die Kinder legten Beschwerde beim Kammergericht ein.
Kammergericht weist Beschwerde als unbegründet ab
Nach Auslegung des Testamentes durch das Kammergericht ist die Formulierung keine Bedingung, die zwingend an den Eintritt des Todesfalls am fix genannten Tag geknüpft ist.
Vielmehr gelte das Testament fortlaufend.
Die Erblasserin habe durch ihre gewählte Wortwahl lediglich den Anlass für die Testamentserrichtung mitteilen wollen.
Dass die Erblasserin in den folgenden Jahren auch kein weiteres Testament errichtet oder Änderungen vorgenommen habe, unterstützt diese Auslegung.
Es seien auch keine Umstände ersichtlich, weshalb die Erblasserin ihre Erbfolge nur für einen Tag regeln wollte.
Bitte wählen Sie zuerst Ihre Kategorie (Erbrecht oder Unternehmensübergabe):