Gleichzeitig erstellte Testamente – „Die Fiktion der Gleichzeitigkeit“
OLG Rostock – Beschluss vom 25.11.2021 – 3 W 52/21
OLG Rostock – Beschluss vom 25.11.2021 – 3 W 52/21
Das Oberlandesgericht Rostock hatte einen Fall vorliegen, bei dem es entscheiden musste, welches von mehreren gleichzeitig errichteten Testamenten gelten soll.
Der Erblasser war im Jahr 2011 verstorben. Bereits im Jahr 2011 hatte er eine Anwältin aufgesucht und sich bei der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung beraten lassen. Die Anwältin übermittelte ihm sodann einen maschinell erstellten Entwurf eines Testaments.
Am 04.07.2012 errichtete der Erblasser zwei handschriftliche und eigenhändig unterzeichnete Testamente. In einem der Testamente setztes er seinen Sohn und in dem anderen seine Tochter als Erben ein. Das Testament, in welchem die Tochter als Erbin eingesetzt war enthielt noch ein Vermächtnis zugunsten der Tochter.
Ansonsten waren die Regelungen weitgehend inhaltsgleich. Beide Testamente schlossen andere Verwandte von der Erbfolge aus. Außerdem enthielten auch beide Testamente die Anordnung eines Vermächtnisses zugunsten der Lebensgefährtin des Erblassers.
Die Tochter beantragte mit dem Testament, in welchem sie als Erbin benannt wurde, einen Erbschein beim Nachlassgericht, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte.
Der Sohn beantragte einen Erbschein, der ihn und seine Schwester jeweils als hälftige Erben auswies.
Das Nachlassgericht gab dem Antrag der Tochter statt. Gegen diese Entscheidung legte der Sohn Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.
Das Oberlandesgericht Rostock hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf. Die Tochter und der Sohn seien hälftige Erben des Vaters geworden.
Es konnte nicht sicher festgestellt werden, in welcher Reihenfolge der Vater die Testamente verfasst hat.
Es müsse also die „Fiktion der Gleichzeitigkeit“ gelten. Die Testamente müssen demnach so behandelt werden, als hätte der Erblasser sie gleichzeitig verfasst. Wenn sich zwei gleichzeitig errichtete Testamente widersprechen, sind die sich widersprechenden Teile unwirksam.
Das Vermächtnis zugunsten der Tochter widersprach dem zweiten Testament und war somit unwirksam. Der restliche Inhalt der beiden Testamente muss nebeneinander berücksichtigt werden, sodass die Tochter und der Sohn jeweils hälftige Erben geworden sind.
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