Der Fall
Im vorliegenden Fall verstarb ein Erblasser und hinterließ mit seinem Nachlass eine Lebensversicherung. Im Rahmen der Nachlassauseinandersetzung stellte sich nun die Frage wem die Versicherungssumme zugutekommen sollte: dem Erben oder der im Versicherungsvertrag benannte Bezugsberechtigte?
Die begünstigte Person aus dem Versicherungsvertrag war die Mutter des Erblassers. Als alleinigen Erben setzte der Erblasser vor seinem Tod jedoch seinen Sohn per Testament ein. Vor seinem Tod nutze der Erblasser seine Versicherungssumme zur Absicherung eines Darlehens bei einer Bank.
Nach dem Ableben des Erblassers kam es zwischen der Mutter des Verstorbenen und der Versicherung zu einem Telefonat. Bei diesem Telefonat bat die Versicherung um Übermittelung einiger in Bezug auf den Sterbefall bezogener Dokumente. Dabei stellte die Versicherung der Mutter in Aussicht, die Versicherungssumme nach Klärung aller Umstände, mit ein geschlossen des Darlehens, an sie auszuzahlen. Die Mutter willigte dem zu.
Zur Geltendmachung der Versicherungsleistungen ihres Sohnes schaltete die Mutter einen Anwalt ein. Dieser erhielt von der Versicherung direkt nach Einforderung der Versicherungssumme ein Schreiben mit der Information zurück, dass der übrigbleibende Versicherungsbetrag nach Abzug mit dem bei der Bank aufgenommene Darlehn an die Mutter ausgezahlt würde.
Ungefähr zeitgleich erfuhr der Sohn des Erblassers von der Lebensversicherung. Entgegen der Interessen seiner Großmutter versuchte der Erbe selbst an die Versicherungssumme zu gelangen. Zu diesem Zweck erklärte der Erbe gegenüber der Versicherung und der Mutter des Erblassers einen Widerruf. Mit diesem Widerruf widerrief der Erbe als Träger der Rechten und Pflichten des Nachlasses die Bezugsberechtigung bzw. das Schenkungsangebot des Erblassers an seine Mutter.
Landgericht: Wirksamer Widerruf – Versicherungssumme wurde unrechtmäßig ausgezahlt
Die Versicherung reagierte auf diesen Widerruf nicht und zahlte im Folgenden der Mutter die Lebensversicherungssumme aus. Gegen die Auszahlung an die Mutter legte der Erbe erfolgreich Klage zum Landgericht ein. Das Landgericht wies in seiner Entscheidung daraufhin, dass der Erbe rechtzeitig die Berechtigung der Versicherung zur Auszuzahlung der Versicherungssumme widerrufen habe. Die Mutter ließ sich dies nicht gefallen und legte anschließend Berufung zum Oberlandesgericht ein.
OLG: Widerrufsfrist versäumt – Mutter darf Geld behalten
Anders als die erste Instanz, sah das Oberlandesgericht Probleme in der fristgerechten Abgabe des Widerrufs. Das Telefonat zwischen der Mutter und der Versicherung fand am 12.02.2019 statt. Das Oberlandesgericht vertrat die Meinung, dass bereits mit dem Gespräch zwischen der Bezugsberechtigten Mutter und der Versicherung eine konkludente Annahme des Schenkungsvertrages aus der Lebensversicherung stattgefunden habe wodurch es bereits zu einem Vertragsschluss zwischen Mutter und Erblasser kam. Mit dem Widerruf hatte der Erbe bezwecken wollen, dass es gar nicht erst zu einem Vertrag kommen kann.
Der Widerruf ist jedoch nicht mehr wirksam, wenn bereits ein Vertrag zustande gekommen ist. Im vorliegenden Fall fand der Vertragsschluss am 12.02.1029 statt. Da der Widerruf jedoch erst gut einen Monat später als das Telefonat am 15.03.2019 erklärt wurde, konnte der Widerruf keine Wirkung mehr entfalten. Der Schenkungsvertrag als Teil der Lebensversicherung war damit zwischen Mutter und Erblasser wirksam zustande gekommen. Der Erbe hatte keinen Anspruch mehr auf die Versicherungssumme. Die Mutter konnte die bereits gezahlte Versicherungsleistung behalten.